„Wer singt, der kann nicht traurig sein“

Apathie, Angst und Depression zählen zu häufigen Begleiterscheinungen einer Parkinsonerkrankung. Den positiven Einfluss von Gesang, Tanz und Theater auf die Psyche konnten Besucher des 2. Segeberger Symposions „Morbus Parkinson, Medizin trifft Kunst“ erleben.

Heilsame Kraft des Singens

Kreativer Motor hinter dieser so erfolgreichen wie bewegenden Veranstaltung ist Bernd Braun. Der gebürtige Süddeutsche erhielt im Oktober 2005 seine Parkinsondiagnose. Er übernahm später die Leitung der dPV-Regionalgruppe an seinem heutigen Wohnort Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Braun begann, sehr kreativ mit „seinen“ Mitgliedern zu arbeiten. So entstand etwa eine Theatergruppe, die sich regelmäßig zum Proben trifft.

Auf einer Fahrt fand der heute 63-Jährige eine Broschüre über „Singende Krankenhäuser“. Die „Singenden Krankenhäuser“ sind ein Verein, der Menschen, die in Gesundheitseinrichtungen betreut werden, „die heilsame Kraft des Singens“ nahebringen möchte. „In der Literatur sagt man, dass das Singen der goldene Weg zum inneren Heiler sei“, sagt Bernd Braun. „Selbst gemachte“ Musik entfalte eine ungeahnte Wirkung, zitiert er den Wiener Experten Dr. Oliver Peter Graber: „‚Ihr werdet feststellen, euch wird sich ein Paradies erschließen‘, sagt Graber.“

Braun entschloss sich, die Kräfte der Künste zu nutzen und eine eigene Veranstaltung ins Leben zu rufen, die sich an von Parkinson Betroffene richten sollte. In Prof. Dr. med. Björn Hauptmann, leitender Oberarzt am neurologischen Zentrum der Segeberger Kliniken, und seinen Kollegen fand er begeisterte Anhänger des Konzepts. Die Jugendakademie Bad Segeberg bot die idealen Räumlichkeiten.

Viele gebrochene Dämme

Im Jahr 2012 fand das Segeberger Symposion zum ersten Mal statt. Es war ein voller Erfolg. Zwei Jahre später ging es in die zweite Runde. Vom 3. bis 5. Oktober 2014 kamen 100 Teilnehmer vornehmlich aus Norddeutschland, aber auch aus weiter entfernten Regionen zusammen.

Auf dem Programm standen zunächst drei zum Thema passende wissenschaftliche Vorträge, unter anderem zur Wechselwirkung von Musik und Gehirn. Danach wurden die Teilnehmer selbst aktiv. „Man wurde in Gruppen eingeteilt. Meine Gruppe fing zum Beispiel mit dem Tanzen an, dann kam das Singen und danach das Musizieren, dann das Theater an die Reihe“, erzählt Ursel R., seit ihrer Diagnose 2011 in einer Hamburger Selbsthilfegruppe aktiv und gemeinsam mit ihrer nicht betroffenen Schwester schon beim 1. Symposion dabei. „Jeder hatte die Chance, alles mitzubekommen.“

„Innerhalb dieser kleinen Workshops hat jeder mit jedem auf die unterschiedlichste Art und Weise kommuniziert“, beschreibt Ulrike Fechtner, bei der Firma abbVie zuständig für die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen aus dem Bereich Parkinson. „Beim Musizieren beispielsweise tauschten wir uns mithilfe von Steinchen aus, die wir mal schneller, mal langsamer gegeneinanderklopften. Beim Improvisationstanz sollten wir uns erst auf uns selbst konzentrieren und dann in Kontakt zu einem Tanzpartner treten. Hier war nie ganz klar, wer der Führende und wer der Geführte war. Das war so intensiv und schön, dass viele Dämme brachen und das Gefühl noch lange nachwirkte.“

Ursel R. tat das gemeinsame Singen besonders gut: „Singen befreit. wer singt, der kann nicht sehr traurig sein.“ Auch die Vorstellung der Theatergruppe aus Bad Segeberg am zweiten Abend begeisterte und berührte die Teilnehmer. „Bei der Theatergruppe war ich in einem Workshop“, erzählt die 69-Jährige. „Da lernte man, sich fallen zu lassen, Gefühle preiszugeben und das in Bewegung und Posen umzusetzen.“

Rote Wangen und leuchtende Augen

Organisator Bernd Braun beobachtete im Laufe der drei Tage eine Veränderung bei „seinen“ Teilnehmern: „Die Menschen gingen in die Workshops mit grauen, fahlen Gesichtern rein und kamen mit roten Wangen und leuchtenden Augen wieder raus.“ Ursel R. erfuhr: „Man tauschte sich aus, und das nahm einem die Ungewissheit, die Angst. Der Druck der Krankheit war irgendwie weg. Es fühlte sich alles sehr leicht und locker an, irgendwie fröhlich.“

Der Erfolg des Symposions sei sicherlich dem „außerordentlichen Engagement und der beeindruckenden Professionalität“ der vielen ehrenamtlich arbeitenden Organisatoren zu verdanken, betont Ulrike Fechtner. Und zum krönenden Abschluss des Symposions wurde das Engagement der Organisatoren von der Hilde-Ulrichs-Stiftung für Parkinsonforschung gewürdigt. Herr Braun erhielt den Ehrenpreis der Stiftung. Prof. Dr. Björn Hauptmann wurde omit dem Forschungspreis für seine Arbeit zu Musik, Tanz und Kunst in der Parkinsontherapie ausgezeichnet.

Das 3. Segeberger Symposion ist am 6. und 7. Oktober 2016 geplant. um die Wartezeit bis dahin zu überbrücken, will Bernd Braun mit seinem Team für 2015 jeweils dreitägige Workshops zum Singen oder Tanzen anbieten. [ to ]

Eine ausführliche Dokumentation zum 1. Segeberger Symposion 2012 steht zum Download unter bit.ly/segebergdoku bereit. Mehr Informationen zu den Symposien und möglichen Folgeveranstaltungen unter www.parkinson-bad-segeberg.de.

Quelle: PARKOUR Dez. 2014 – Febr. 2015 S. 18

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