|

Wie viele Spritzmittel im Südwesten ausgebracht werden, weiß niemand

– das ist ein Skandal!
Kommentar von Thomas Faltin aus der Stuttgarter Zeitung vom 27. Juni 2018

Es ist nicht an der Zeit, den Teufel an die Wand zu malen – noch nicht. Denn die Landeswasserversorgung hat bisher nur vereinzelt Pestizid in Bächen und Gräben des Donaurieds gefunden, und nicht immer wird der Grenzwert überschritten. Aber es ist das erste Warnzeichen, dass etwas nicht stimmt in den Gewässern im Osten des Landes.

Beunruhigend ist dagegen schon, dass sogar in der Donau hohe Werte an Glyphosat festgestellt wurden. Normalerweise schaffen es die Flüsse, die Schadstoffe ausreichend zu verdünnen. Die Landesanstalt für Umwelt, die ständig die Flüsse überwacht, wird jedenfalls nur selten fündig.

Dass dies alles in einem Gebiet geschieht, in dem Trinkwasser für drei Millionen Menschen gewonnen wird, müsste bei allen Verantwortlichen die Alarmsirenen aufheulen lassen. Bei der Landeswasserversorgung ist das auch der Fall, doch die Landratsämter und das Ministerium machen eher den Eindruck, dass sie genervt sind vom neuerlichen Vorstoß des Wasserversorgers und deshalb Anfragen abbügeln. Es ist schon befremdlich und sicher nicht im Sinne der Bürger, dass es die Behörden nicht für nötig halten, den Fakt – Glyphosatfunde in der Donau – auch nur zu kommentieren, geschweige denn über Maßnahmen nachzudenken. Stattdessen wird allgemeiner Kanzleitrost versandt.

Inakzeptabel ist vor allem die vollkommene Intransparenz, was Pflanzenschutzmittel betrifft. Es gibt niemanden im Land, der weiß, welche und wie viele Spritzmittel ausgebracht werden. Es existiert nur eine bundesweite Verkaufsstatistik, die regional nichts nutzt. Und die Bauern müssen ihren Verbrauch zwar dokumentieren, aber nur bei Kontrollen offenlegen. Eine zentrale anonyme Erfassung: Fehlanzeige.

Der Minister Peter Hauk (CDU) will zwar eine größere Transparenz prüfen – aber nach seiner Reaktion bei der Vorstellung des Pestizidberichts des Nabu ist klar, dass er daran kein wirkliches Interesse hat. Dabei geht es nicht darum, auf die Bauern einzuprügeln, sie haben das Recht, Pflanzenschutzmittel auszubringen. Es geht vielmehr um eine gesellschaftliche Diskussion über die Folgen – und für eine solche Debatte sind möglichst viele Fakten die grundlegende Voraussetzung.

© Die inhaltlichen Rechte bleiben dem Verlag vorbehalten. Nutzung der journalistischen Inhalte ist ausschließlich zu eigenen, nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.

Teile:

Ähnliche Beiträge